Thema des Forschungsgutachtens

Unternehmensfinanzierung der maritimen Industrie in Deutschland

unter besonderer Berücksichtigung von Asset-Based-Finanzierungsmöglichkeiten

 

Ausgangssituation

  • Die maritime Wirtschaft wird gemeinhin als zusammenhängende Branche wahrgenommen, obwohl sie in so unterschiedlichen Teilindustrien wie Schiffbau (Produktion), Schifffahrt (Logistik), Zulieferern (Technik), Bereederung (Dienstleistung) oder Aquakultur (Blue Economy) verankert sein kann.
  • Die Maritime Finance Research Group (MFiRG) hat es sich in der hier vorgelegten Studie zum Ziel gesetzt, die Finanzierungsstruktur der maritimen Wirtschaft in Deutschland systematisch zu untersuchen, mögliche Lücken zu identifizieren und Vorschläge zur Stabilisierung der Finanzierungsstruktur zu unterbreiten.
  • Zunächst wird in der Studie die aktuelle Lage der Teilindustrien untersucht. Dazu wurde die aktuell vorliegende Literatur gesichtet, ausgewertet und durch entsprechende Zahlen unterfüttert. Ergänzt wurde dieser Teil durch Erkenntnisse aus einem Fragebogen, der im Zeitraum des ersten Halbjahres 2021 an maßgebliche Vertreter der Teilindustrien verteilt wurde. Die Auswertung der Literatur und der Fragebögen hat quantitative Grunderkenntnisse geliefert. In einem qualitativen dritten Teil hat das Forschungsteam darauf aufbauend Tiefeninterviews mit über 50 Unternehmen aller Teilbereiche geführt.
  • Auf Basis des Analyseteils ist dann in einem weiteren Schritt eine denkbare Finanzierungsstruktur der Zukunft entwickelt worden. Hierbei ist ein kapitalmarktorientierter Ansatz gewählt worden: Es wurde untersucht, ob die festgestellte Finanzierungslücke durch kapitalmarktfähige Wertpapiere geschlossen werden kann. Einige maritime Player nutzen diese bereits. Die Inanspruchnahme von Kapitalmärkten durch mittelständische Unternehmen ist dagegen noch weniger ausgeprägt.
  • Da die maritime Wirtschaft umfangreichen externen Risiken (Konjunkturentwicklungen, Verteuerung der Kraftstoffe, gesetzliche Auflagen, etc.) ausgesetzt ist, wurde auch untersucht, ob sich staatliche Garantien, Teilgarantien oder Förderlinien für die Implementierung eines funktionierenden Finanzierungsumfeldes als flankierende Maßnahmen vermeiden oder über den Einsatz von Asset-Based Finanzierungsmöglichkeiten effizienter ersetzen lassen. Die Entwicklungen in Richtung „Green Finance” sind dabei ebenfalls berücksichtigt worden.
  • Die Studie konnte mit Beginn der neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zu einem guten Zeitpunkt fertig gestellt werden, so dass mögliche Anregungen in die maritime Politik der Bundesregierung und des Parlaments aufgenommen werden können.

 

Herausforderungen: 

Maritimer Mittelstand braucht zusätzliche Finanzierungsformen

  • Die Finanzierungssituation der mittelständischen maritimen Betriebe in Deutschland hat sich im letzten Jahrzehnt verschoben und überwiegend verschlechtert. Die Situation droht sich negativ auf den Standort auszuwirken.
  • Die Studie zeigt, dass erforderliche zusätzliche Finanzmittel bislang mehrheitlich von Bestandsgesellschaftern aufgebracht werden. Die Vergabepraxis bei klassischen Krediten der verbliebenen wenigen Banken, die noch bereit sind, Finanzierungen im maritimen Segment anzubieten, ist zunehmend restriktiv. Die Banken wiederum beklagen zu komplexe Regulierungsvorschriften. Antragsverfahren bei staatlichen Förderbanken von mittelständischen Unternehmen werden als zu unübersichtlich eingestuft.
  • Zugang zum Kapitalmarkt ist nur begrenzt vorhanden: Im Vergleich zu anderen Börsenplätzen werden die Regularien vom deutschen Mittelstand als zu restriktiv empfunden. Mehrheitlich wurde der Börsenplatz Oslo als vorbildlich genannt. Eine Unternehmensverlagerung, um in den Genuss eines besseren Finanzierungsumfeldes zu kommen, ist aber nur für größere Betriebe möglich. Gleichzeitig hat die Studie gezeigt, dass der maritime Mittelstand sehr standorttreu ist und Betriebsverlagerungen weitestgehend vermieden werden.
  • Die Studie empfiehlt mehrere Ansätze, die kurz- und mittelfristig helfen können, den maritimen Mittelstand in Deutschland bei der Finanzierung zu stützen:
    • Zentrale Empfehlung ist die Einrichtung einer Kreditplattform als neues Finanzierungsinstrument, die den mittelständischen maritimen Betrieben hilft, Fremdkapital im vereinfachten Verfahren am Kapitalmarkt aufzunehmen. Dazu werden kleinere Kredite kapitalmarktfähig gebündelt.
    • Effektivere Nutzung der staatlichen Fördermittel für Green Finance, insbesondere auch in Kombination mit der vorgeschlagenen Kreditplattform.
    • Mittelfristig Schaffung eines regulatorischen Rahmens für eine Börse mit maritimem Segment in Deutschland in Analogie zum Börsenplatz Oslo. Konzertierte Anstrengungen zur Etablierung einer börsenfreundlichen Investitionskultur, die Ansiedlung und Kooperation von Investmentbanken, Brokern, Investoren und Analysten ermöglicht.
    • Öffnung des Hermes Deckungsinstrumentariums für inländische Besteller nach Vorbild anderer europäischer Staaten. Reeder und Besteller sollten die Möglichkeit haben, Exportgarantien zu nutzen, wenn das Schiff grenzüberschreitend eingesetzt werden soll.
    • Eine sinnvolle, punktuelle Umgestaltung der Erhebung der Quellensteuer auf Kapitalerträge, um die Begebung von Anleihen in Deutschland wieder attraktiver machen und Ausländer besser in den Investorenkreis aufnehmen zu können.